Wenn die Stimme nicht will

„Ich habe alles hier,“ sagt Bruno Accardi und zeigt auf seinen Kopf. Er nimmt sich viel Zeit um diese kurze, aber gefühlvolle Aussage zu artikulieren. Denn Kurzatmigkeit ist eine der Folgen seines Autounfalles im Jahr 1995.

„Ich habe alles hier,“ wiederholt der 42jährige immer wieder und fügt, traurig und wütend zugleich, hinzu: „ aber die Stimme will nicht!“ Seine Logopädin Adelheid Ewen vermittelt, während Accardi seine Aussagen durch Mimik und Gestik unterstützt. Die nach dem Unfall angestellte Diagnose lautet „schwerste Dysarthrie“. „Dabei sind Stimme, Aussprache und Atmung betroffen,“ erläutert Ewen. Seit elf Jahren geht Bruno Accardi einmal pro Woche mit regelmäßigen Pausen zu den Therapiesitzungen. Im Fokus der Behandlung stehen Lesen, Sprechen und Schreiben, um den Atemeinsatz zu schulen. Längerfristig haben Accardi und Ewen ein gemeinsames Ziel gefunden: Verständnis von außen und weniger Anstregung beim Sprechen.

Zu Beginn der Therapie fiel es der Therapeutin oft schwer ihren Patienten zu verstehen. „Als er zur ersten Sitzung erschien konnte er nur ‚si‘ und ‚no‘ sagen,“ erinnert sich Adelheid Ewen an die anfänglichen Schwierigkeiten in der Behandlung des gebürtigen Italieners. „Allerdings sprach er die Konsonanten kaum aus, sodass er sehr schwer zu verstehen war.“

Auch wenn sein Vokabular durch die langjährige Therapie gewachsen ist, fehlen ihm oft, gerade in emotionalen Momenten, die Worte.

Dann greift er zu Stift und Papier und beginnt langsam, aber konzentriert zu schreiben, was er nicht auszusprechen vermag. „Sie müssen nicht schreiben, Herr Accardi, Sie können doch sprechen!“, ermutigt Adelheid Ewen ihren Patienten. Vielleicht ist es die Nervosität, aber Bruno Accardi schreibt viel.

Seine mit Bleistift in Großbuchstaben auf Papier geschriebenen Worte, die zwar nicht genau auf einer Linie angeordnet sind, aber von Mühe und Einsatz zeugen erzählen vom Leben des 42 Jahre alten Mannes. Sie erzählen von seinem Leben vor dem schweren Unfall und den nunmehr 17 Jahren danach. Sie erzählen von fast einem Jahr im Koma, von unzähligen Frakturen und drei Jahren im Rollstuhl.Adelheid Ewen und Bruno Accardi

Auch zu Beginn der logopädischen Behandlung im Jahr 2001 haben Bruno Accardi und Adelheid Ewen viel geschrieben, denn eine andere Form der Kommunikation war kaum möglich.

Die besondere Herausforderung für die Logopädin habe darin gelegen, Fragen zu stellen, die mit „Ja“ und „Nein“ zu beantworten sind. „Es bedarf viel Mühe, Kreativität und Flexibilität für diese Arbeit,“ gesteht Ewen lächelnd, „aber Herr Accardis Wille und seine Motivation motivieren auch mich, für das gemeinsame Ziel zu arbeiten.“

Ein Teilziel auf dem langen Weg zur Rückgewinnung des Sprechvermögens könnten bereits erreicht werden. Den Alltag meistert Accardi selbstständig. Stolz erzählt er: „Ich putze, ich wasche Wäsche, ich koche und gehe einkaufen.“ Seiner Augen leuchten freudig wenn er davon spricht. Lediglich für Behördengänge hat er eine Betreuerin.

Für Adelheid Ewen wird in der Arbeit mit Bruno Accardi immer wieder deutlich, worin für sie der Reiz ihrer Tätigkeit liegt: „Es ist die Herausforderung, mit lebendigen Menschen ein gemeinsames Ziel zu finden, um das Wohlbefinden zu verbessern.“

Vor Bruno Accardi liegen noch viele „Baustelen“, wie die Logopädin es nennt: Druckreduktion, Konzentration und die Laute „ch“, „g“ und „k“ liegen dabei im Mittelpunkt der Therapie.

Für ihn persönlich gibt es da allerdings noch eine weitere Baustelle. Er greift erneut zum silberummantelten Bleistift und schreibt grinsend in Großbuchstaben: „Ich suche eine Frau!“ Nur die „I“s haben einen Punkt.

  1. Guten Tag ,liebe Grüße an Bruno wir kennen uns schon sehr lange .vielleicht richten sie ihn mal liebe Grüße von Annett aus .Und wenn er mag kann er mir ja mal eine e-mail schreiben .

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