Im Repair Café in Klarenthal finden Unkundige Hilfe nicht nur bei technischen Problemen

WIESBADEN 

22.05.2013 – WIESBADEN

 

Meistens sind es Elektrogeräte und Spielekonsolen, die die Gäste jeden ersten Samstag im Monat in das Repair Café in Klarenthal bringen. Was dort landet, tickt nicht mehr ganz richtig – so wie die Uhr von Wilfried Mörs. Seine über hundert Jahre alte Standuhr zieht an diesem Samstag alle Blicke auf sich. Warum genau sie seit dem kürzlich bewältigten Umzug nicht mehr funktioniert, das wollen Repair Café-Gründer Ingo Heidelberg und seine zahlreichen Helfer herausfinden. Heute hat Mörs spontan den Versuch gewagt, das Café zu besuchen, von dem er erst kürzlich gehört hatte.

Manchmal nur Kleinigkeiten

Während Hans Pees im Nebenraum Computerboxen repariert, widmet sich Helmut Hirschmann dem beinahe schon antiken Uhrwerk. Ingo Heidelberg weiß aus Erfahrung: „Oft sind es banale Reparaturen, wie ein verbogener Draht oder ein kleiner Defekt im Stecker, aber manchmal muss man auch lange tüfteln, um das Problem herausfinden zu können.“ Bereits zum vierten Mal findet an diesem Tag das Repair Café statt; eine Idee, die aus einer persönlichen Entdeckung heraus entstand. Denn auch dem pensionierten Physiklehrer Heidelberg war etwas kaputtgegangen, damals war es ein PC-Bildschirm, welcher, gemäß der breiten Masse, schon dem Recycling geweiht war. Mithilfe des Internets und einigen hilfreichen Tipps gelang es Heidelberg allerdings, das drei Jahre alte Gerät wieder auf Vordermann zu bringen. „Da hat es förmlich ‚klick‘ gemacht – man muss dieses Problem öffentlich machen und aufzeigen, dass man nicht alles gleich wegwerfen muss, nur weil es kaputt und manchmal irreparabel erscheint.“

Eine Fernsehdokumentation über die „Mutter aller Repair Cafés“ in Amsterdam gab schließlich den Anstoß, dieses Projekt auch für die Landeshauptstadt zu realisieren. Mit dem Volksbildungswerk Klarenthal als Kooperationspartner waren schnell die richtigen Räumlichkeiten und auch freiwillige Helfer gefunden. Denn auch wenn Ingo Heidelberg seit nunmehr anderthalb Jahren pensioniert ist, will er noch etwas tun. „Hier geht es gar nicht hauptsächlich um die defekten Geräte und das technische Unwissen und die damit verbundene Hilflosigkeit einiger Besucher, sondern vielmehr darum, den Menschen das Vertrauen in die Technik wiederzugeben und Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.“ Heidelberg weiß: „Das Reparieren von Geräten hat auch eine enorme soziale Komponente: Man kommt in Kontakt und lernt, beziehungsweise lehrt gewisse Dinge“. Und: „Vor allem, wenn man Kindern etwas zeigen kann, zum Beispiel, wie man etwas lötet, hat man ein gutes Gefühl. Das macht wirklich glücklich!“

FachsimpeleienRepair_cafe

Bei einer Tasse Kaffee lässt sich im Anschluss an die Reparatur auch noch gemütlich über allerhand Geheimtipps fachsimpeln. Während die ersten Gäste mit ihren nun wieder funktionstüchtigen Geräten in das Bistro des Volksbildungswerkes schlendern, um sich mit einer kleinen Spende für die kostenlose Reparatur zu bedanken, stehen mittlerweile vier hilfsbereite Herren um Wilfried Mörs‘ Uhr herum. Helfer Helmut Hirschmann gesteht: „Die Mechanik ist plausibel, allerdings bin ich Rundfunk- und Fernsehtechniker.“ Kurz darauf kommt ihm die zündende Idee – ein Anruf bei einem befreundeten Uhrmacher soll das Problem beheben.

Nichts bleibt unversucht. Schon gibt es einen ersten Lösungsansatz: Horchen, ob das Ticken gleichmäßig rechts und links zu hören ist. Noch kommt es von links her allerdings verzögert, und somit geht die Suche nach der Lösung weiter. „Fälle wie diese alte Uhr sind eine Seltenheit im Repair Café“, erzählt Ingo Heidelberg indes, „da kann man auch nicht von geplantem Verschleiß und rücksichtsloser Produktion sprechen, wie bei elektronischen oder elektrischen Geräten.“

Eines der Hauptanliegen des Gründers, welches durch den stetig wachsenden Zulauf bestätigt wird: „Unser Angebot kommt freudig an, und diese Anerkennung ist eine ungemeine Motivation für uns alle. Vielleicht ist das der richtige Weg um den Anstoß zu einem generellen Umdenken zu geben.“

Für die Uhr von Wilfried Mörs ist es eine Wasserwage, die Erlösung bringt. Die Uhr und somit auch das Pendel war ein wenig in Schieflage geraten. Ein letztes Kontrollhorchen, dann besteht Gewissheit: Die Uhr tickt wieder richtig.

Seit dem ersten Repair Café-Treffen im Februar weiß Ingo Heidelberg: „Wenn man hier rausgeht, ist man immer gut gelaunt.“ Und auch Wilfried Mörs geht nun, mit einem zufriedenen Lächeln und der wieder funktionierenden Uhr unterm Arm, glücklich in den Tag.

Lesen Sie Morgen: Der Tauschring Amöneburg-Kastel-Kostheim.

 

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