„stell dir vor, kollektives Wiesbaden,du erwachst in einem Kingsize-Bett in deinem 200 m² großen Schlafzimmer“
Sich einmal wieder wie mit 14 fühlen und die Revolution der Graswurzeln anzetteln. Ein Denkmal bauen, zwar nicht auf dem Platz vor Aldi, aber auf dem Schlammfeld dahinter.
Unzählige Besucher besuchten das Konzert, um dieses Gefühl aufleben zu lassen,oder einfach
ihren Helden zu huldigen. „Die Helden“ lassen sich nicht lange bitten. Als fulminanten Auftakt spielen „Wir sind Helden“ „Was uns beiden gehört“, ein Lied aus ihrem frisch veröffentlichten Album mit dem auffordernden Titel „Bring mich nach Hause“. „Uns beiden gehört an diesem Abend die Bühne hinter der großen Halle des Schlachthofes – ,dir’, dem „kollektiven Wiesbaden“ und mir“ erklärt Frontfrau Judith Holofernes ihr Vorhaben. Traumatisiert von den Unwettern der letzten Tage und dadurch bedingt einem abgebrochenen Konzert in Hamburg freut sich die authentische Sängerin sichtlich über das „milde Klima“ der Landeshauptstadt. Statt unaufhörlichen Wassermassen regnet es lediglich Seifenblasen vom Himmel über den Zuschauen zu den Klängen von „Ein Elefant für dich.“, während sich Paare und Freunde liebevoll zu der Textzeile „Halt dich bei mir fest, steig auf ich trage dich“ aneinander schmiegen. Ungewohnt rockig kommen die Helden dieser Tage daher, mit „live-igerem Sound“, wie es Schlagzeuger Pola Roy bezeichnet. Mit Neuinterpretationen und Variationen ihrer bekanntesten Songs, die das Publikum textsicher als Backgroundchor begleitet. So findet Nancy Sinatras Klassiker „These Boots are made for walking“ gleichfalls einen Platz eingebettet in den Song „Von hier an blind“ wie Melodien ihres ersten Hits „Reklamation“ – eine Art Best-of-Medley der unkonventionellen Art. Obgleich die vier Berliner schon einige Jahre im Geschäft sind, hat man trotzdem das Gefühl, auch sie seien wieder 14. Keck singt Holofernes ihre Texte und rudert pirouettendrehend wild mit den Armen, während Bandkollege Jean-Michel Tourette übermütig die 70er Jahre-Gedächtnis-Lampen der Bühnendekoration zum Schaukeln bringt. Eine gekonnte Darstellung der unerträglichen Leichtigkeit des Seins, eine gelebte „Reklamation“ vom Feinsten.
Sie sind wahrlich gekommen um zu bleiben, wie ein perfekter Fleck und wollen aus dem Bild, dass sie verkörpern auch gar nicht raus. „Ihr habt die Message verstanden ?!“ ruft Judith Holofernes dem Publikum beim Song „Rüssel am Schwanz“ zu. Voilà Inspiration.
Ihr legendärer und zeitloser Song „Denkmal“ folgt als Zugabe. „Endlich!“, so hört man erleichterte Ausrufe im Publikum.
„Denkmal“, einer der größten musikalischen Erfolge der Helden, der zur Hymne einer ganzen Generation wurde und auch darüber hinaus Menschen immerwieder animiert sich Gedanken zu machen, oder zumindest mitzusingen. Wenigstens für letzteres entschieden sich nahezu alle Konzertbesucher am Samstag Abend auf dem sumpfigen Schlachthofgelände. Den Pfützen auf dem Boden zum Trotz wurde abermals gesprungen und getanzt was die müden Beine hergaben.
Ja, sie haben ihnen ein Denkmal gebaut, mit einem Konzert, dass wohl keiner der Besucher reklamieren möchte.