Archiv für Mai 2013

Büchertauschregal in der Schwalbe 6 erfreut sich reger Nachfrage

WIESBADEN 

Jeder Mensch hat sein Lieblingsbuch, ein Buch, das er immer und immer wieder lesen kann, ohne der Geschichte müde zu werden. Es gibt hingegen auch Bücher, deren einmaliges Lesen keinerlei Wiederholung bedarf. Da Bücher mittlerweile preislich einem Luxusgut gleichen und es der Moral widerspricht, ein Buch einfach wegzuwerfen, besteht seit einiger Zeit die Möglichkeit, ausgelesene Bücher in öffentlichen Bücherregalen zu platzieren und sich, bei Bedarf, gleich neuen Lesestoff mitzunehmen, getreu dem Motto: „Nimm eins, bring eins!“

Nach genau diesem Prinzip funktioniert auch das Büchertauschregal in der „Schwalbe 6“, benannt nach ihrem Domizil in der Schwalbacher Straße 6. Am Anfang der Geschichte, die das schmale, rote Regal zu erzählen versucht, steht das Vorhaben, die Schwalbe präsenter zu machen. So berichtet die dort ehrenamtlich tätige Ute Rapp vom Beginn einer großartigen Idee.

„Wir hatten vorher oft Lesungen von Autoren in unseren Räumlichkeiten oder auch die Möglichkeit geboten, ein persönliches Lieblingsbuch auszustellen“, berichtet Ute Rapp, die sich seit nunmehr zehn Jahren mehrmals die Woche vor Ort engagiert. „Im Anschluss an solche Veranstaltungen haben wir stets festgestellt, dass ein reger Austausch über Bücher ähnlichen Genres oder auch vollkommen andere Romane stattfand.“

Vorläuferin Bücherkiste

So stand schnell fest, dass Bücher den Weg für eine präsentere und gemeinschaftlichere Schwalbe ebnen würden. Dass jedermann ausgelesene Bücher zu Hause hat, wissen Ute Rapp und Annette Majewski nur zu gut aus eigener Erfahrung, und so entstand schnell, vor sieben Jahren, die Bücherkiste, die Vorgängerin des roten Regals.

Menschen brachten Bücher und nahmen neue mit. Heute können sich Ute Rapp und Annette Majewski kaum vor Büchern retten, weshalb bereits bei der Abgabe der Literatur eine kleine Selektion stattfindet. Ute Rapp erklärt: „Ich versuche, passende, interessante Bücher auszuwählen. Vor allem Romane, die der breiten Masse gefallen könnten. Sachbücher oder sehr spezielle Literatur finden leider selten einen neuen Leser.“

So kommt es, dass sich mittlerweile auch viele aktuelle Romane und Bestseller aneinanderreihen. Annette Majewski freut sich vor allem über regelmäßige Besucher: „Ein älteres Ehepaar, dessen Hobby unweigerlich das Lesen ist, kommt beinahe wöchentlich, um uns mit neuen Büchern zu versorgen. So können wir immer auch aktuelle Literatur anbieten.“ 
bücherregal
Klein aber fein – so beschreiben die beiden ihr Tauschregal. „Es muss nicht viel drin sein, entscheidend ist das, was drin ist“, erklärt Ute Rapp, die selbst fleißig Bücher tauscht. Am liebsten Krimis.

Momentan finden sich allerdings auch außergewöhnlich viele Bücher zum Thema „Reisen“ in den Böden des Regals, was von der aktuellen Aktion der Schwalbe rührt. Unter dem Titel „Unterwegs“ finden allerhand Veranstaltungen zu eben diesem Thema statt. Dazu gehört unter anderem ein Koffer gefüllt mit Reiseführern, welcher sich dem Prinzip des Bücherregals bedient – nimm eins, bring eins. Die beiden Mitarbeiterinnen berichten: „Ein Buch zu entdeckten ist oft auch wie eine Reise, eine Reise in eine andere Welt oder die Entdeckung der eigenen Fantasie.“ Auch in den Reiselektüren wird, wie auch mit den Büchern aus dem Tauschregal, vor Ort schon geschmökert. Mit einem heißen Kaffee werden die gemütlichen Räume der Schwalbe 6 so zu einer Art Ruheoase mitten in der Stadt. 

Mehr als nur lesen

„Wir laden ein, eine Auszeit zu nehmen – und wie geht das besser, als mit einem guten Buch?,“ weiß Majewski aus Erfahrung. Ute Rapp fügt hinzu: „Oft ergeben sich über das jeweilige Buch auch außergewöhnliche Gespräche über persönliche Erfahrungen.“ So drängt eine individuelle Lebensgeschichte schon mal die des Buches in den Hintergrund. Dank des Romans als Türöffner. Und nicht selten bieten Bücher auch einen Blick über den Tellerrand hinaus, auch das wissen Rapp und Majewski aus Erfahrung: „Wir können mit Büchern viel mehr tun, als sie nur zu lesen. Genau dieses Gefühl wollen wir erhalten und teilweise auch neu aufleben lassen!“

Mittlerweile finden sich in der Wiesbadener Innenstadt viele ähnliche Ideen, was die beiden fröhlichen Damen nicht etwa stört, im Gegenteil: „Dass wir kopiert werden, zeigt uns nur, dass wir das Richtige tun.“

Beim Tauschring AKK stehen gegenseitige Dienstleistungen im Vordergrund

WIESBADEN 

23.05.2013 – WIESBADEN/AKK

 

Wer ein guter Heimwerker ist, muss nicht automatisch auch ein guter Kuchenbäcker sein. Das weiß kaum einer besser, als der ehrenamtliche Organisator des „Tauschring AKK“, Martin Klink. „Früher,“ so erzählt er, „war es gang und gäbe, sich nachbarschaftlich zu helfen.“ Um diese Bewegung wieder aufleben zu lassen, wurde vor etwa zehn Jahren der Tauschring der Orte Amöneburg, Kastel und Kostheim ins Leben gerufen.

Seit 2008 hat sich Martin Klink dem Tauschring als Organisator verschrieben und es sich zur Aufgabe gemacht, den über die Jahre etwas eingeschlafenen Ring wieder „aufzupäppeln“. Von drei Teilnehmern pro Treffen mauserte sich der Ring auf nunmehr 20 Mitglieder, um Veranstaltungen abseits des alltäglichen Tausches mit Dienstleistungen zu organisieren. Denn, so betont Klink: „Jeder Tauschring hat seine Eigenart – wir sind der ‚Event-Ring‘.“

Damit beschreibt er die zahlreichen Treffen zu Weihnachtsfeiern, Oktoberfesten, Radtouren und auch Flohmärkten um die tauschende Gemeinschaft zu stärken und die direkte Kommunikation aller zu steigern. Neben all diesen Aktivitäten steht selbstverständlich das Tauschen von Dienstleistungen an oberster Stelle. Das Prinzip ist einfach: Halbjährlich erscheint die Tauschringzeitung, in der alle Tauschringmitglieder inserieren können, um ihre Dienstleistung anzubieten. Der Kontakt wird persönlich hergestellt,und ein Termin für die Erfüllung dessen vereinbart. Das ausgeklügelte Punktesystem verhindert, dass nur Leistungen in Anspruch genommen werden, ohne etwas zurückzugeben. Auch Martin Klink selbst bietet seine Dienste fleißig an und nutzt auch gerne die Fähigkeiten anderer.

Zu seinen privaten Hobbys gehört der regelmäßige Besuch in Fernsehsendungen und öffentlichen Veranstaltungen, wo der fröhliche Kasteler gerne auch Autogramme und Bilder von und mit Prominenten jagt. Er bietet in der Tauschringzeitung Tipps und Tricks zur Ticketbestellung und zur Ansprache Prominenter. Ein Angebot, das gerne angenommen wird. Darüber hinaus bietet er Unterstützung bei Behördengängen für Behinderte an.

Seine Haare, so berichtet er, vertraue er seit Jahren nur einer ehemaligen Friseurin, die ihr Handwerk im Dienste des Ringes im privaten Badezimmer anbietet, an. „Das ist ein echter Geheimtipp! So gut sahen meine Haare noch bei keinem anderen Friseur aus“, freut sich Martin Klink. Und dies ist lediglich eine kleine Auswahl an angebotenen Dienstleistungen aus der „Wundertüte“ Tauschringzeitung.

Dabei gibt es – außer „direkten körperlichen Angeboten“, wie Klink es umschreibt – beinahe nichts, das es nicht gibt: Erdbeerenpflücken, Handwerksarbeiten, Kochkünste, Putzhilfen und Kinderbetreuung. Ein Mitglied bietet sogar einen sogenannten „Peinlichkeitsservice“ an. Die Idee klingt nach der Geschichte einer deutschen Kinoproduktion, die Anfang des Jahres die Zuschauer millionenfach in die Kinosäle lockte: Dieses Tauschringmitglied bietet an, vermeintlich peinliche Aufträge, wie das Beenden von Beziehungen, für den Auftraggeber zu übernehmen.

Mit Peinlichkeitsservice

„Der Tauschring ist immer ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Und auch für dieses Dienstleistungsangebot wird es Interessenten geben, da bin ich mir sogar sehr sicher,“ kommentiert Martin Klink die etwas skurril anmutende Offerte. Sollte der „Schlussmacher von AKK“ seinen Dienst nicht zufriedenstellend erfüllen, so weiß Klink aus Erfahrung, wird sich das in der Tauschringgemeinde schnell herumsprechen. „Wir schmeißen niemanden raus, aber Aufträge, die nicht reibungslos erfüllt wurden, sprechen sich nun mal herum und werden schließlich nicht mehr gefragt.“ Abgesehen davon betont Klink gerne, dass man im Tauschring offen für alle ist und sich über den steten Zuwachs sehr freut.

Eines gibt der Organisator jedoch zu bedenken: „Bei unseren Dienstleistern gibt es im Gegensatz zu professionellen Anbietern keine Garantie. Daher sind vorherige Absprachen von großer Wichtigkeit für eine zufriedenstellende Erfüllung des Auftrags.“ Als Basis des gesamten Konzepts nennt er im gleichen Atemzug auch das gegenseitige Vertrauen aller Mitglieder, ohne das der Tauschring kaum funktionieren könnte. Kooperationen finden auch mit anderen Tauschringen aus Wiesbaden statt, wobei schnell etwa 600 Personen zusammenkommen. „Da muss man vertrauen. Man kann nicht alle kontrollieren – das würde ja auch keinen Spaß mehr machen.“
Und wenn der Kuchenbäckerin beim Werkeln in der Küche mal der Teig an die Wand spritzt, sollte als Nächstes wohl ein Maler ins Haus kommen. Vielleicht im Tausch gegen ein Stück Kuchen…

Tauschring-Organisator Martin Link (hinten Mitte) und seine Mitstreiter organisieren auch regelmäßig einen Flohmarkt im Bürgerhaus Kastel.

Archivfoto: hbz/Harald Linnemann
 

Im Repair Café in Klarenthal finden Unkundige Hilfe nicht nur bei technischen Problemen

WIESBADEN 

22.05.2013 – WIESBADEN

 

Meistens sind es Elektrogeräte und Spielekonsolen, die die Gäste jeden ersten Samstag im Monat in das Repair Café in Klarenthal bringen. Was dort landet, tickt nicht mehr ganz richtig – so wie die Uhr von Wilfried Mörs. Seine über hundert Jahre alte Standuhr zieht an diesem Samstag alle Blicke auf sich. Warum genau sie seit dem kürzlich bewältigten Umzug nicht mehr funktioniert, das wollen Repair Café-Gründer Ingo Heidelberg und seine zahlreichen Helfer herausfinden. Heute hat Mörs spontan den Versuch gewagt, das Café zu besuchen, von dem er erst kürzlich gehört hatte.

Manchmal nur Kleinigkeiten

Während Hans Pees im Nebenraum Computerboxen repariert, widmet sich Helmut Hirschmann dem beinahe schon antiken Uhrwerk. Ingo Heidelberg weiß aus Erfahrung: „Oft sind es banale Reparaturen, wie ein verbogener Draht oder ein kleiner Defekt im Stecker, aber manchmal muss man auch lange tüfteln, um das Problem herausfinden zu können.“ Bereits zum vierten Mal findet an diesem Tag das Repair Café statt; eine Idee, die aus einer persönlichen Entdeckung heraus entstand. Denn auch dem pensionierten Physiklehrer Heidelberg war etwas kaputtgegangen, damals war es ein PC-Bildschirm, welcher, gemäß der breiten Masse, schon dem Recycling geweiht war. Mithilfe des Internets und einigen hilfreichen Tipps gelang es Heidelberg allerdings, das drei Jahre alte Gerät wieder auf Vordermann zu bringen. „Da hat es förmlich ‚klick‘ gemacht – man muss dieses Problem öffentlich machen und aufzeigen, dass man nicht alles gleich wegwerfen muss, nur weil es kaputt und manchmal irreparabel erscheint.“

Eine Fernsehdokumentation über die „Mutter aller Repair Cafés“ in Amsterdam gab schließlich den Anstoß, dieses Projekt auch für die Landeshauptstadt zu realisieren. Mit dem Volksbildungswerk Klarenthal als Kooperationspartner waren schnell die richtigen Räumlichkeiten und auch freiwillige Helfer gefunden. Denn auch wenn Ingo Heidelberg seit nunmehr anderthalb Jahren pensioniert ist, will er noch etwas tun. „Hier geht es gar nicht hauptsächlich um die defekten Geräte und das technische Unwissen und die damit verbundene Hilflosigkeit einiger Besucher, sondern vielmehr darum, den Menschen das Vertrauen in die Technik wiederzugeben und Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.“ Heidelberg weiß: „Das Reparieren von Geräten hat auch eine enorme soziale Komponente: Man kommt in Kontakt und lernt, beziehungsweise lehrt gewisse Dinge“. Und: „Vor allem, wenn man Kindern etwas zeigen kann, zum Beispiel, wie man etwas lötet, hat man ein gutes Gefühl. Das macht wirklich glücklich!“

FachsimpeleienRepair_cafe

Bei einer Tasse Kaffee lässt sich im Anschluss an die Reparatur auch noch gemütlich über allerhand Geheimtipps fachsimpeln. Während die ersten Gäste mit ihren nun wieder funktionstüchtigen Geräten in das Bistro des Volksbildungswerkes schlendern, um sich mit einer kleinen Spende für die kostenlose Reparatur zu bedanken, stehen mittlerweile vier hilfsbereite Herren um Wilfried Mörs‘ Uhr herum. Helfer Helmut Hirschmann gesteht: „Die Mechanik ist plausibel, allerdings bin ich Rundfunk- und Fernsehtechniker.“ Kurz darauf kommt ihm die zündende Idee – ein Anruf bei einem befreundeten Uhrmacher soll das Problem beheben.

Nichts bleibt unversucht. Schon gibt es einen ersten Lösungsansatz: Horchen, ob das Ticken gleichmäßig rechts und links zu hören ist. Noch kommt es von links her allerdings verzögert, und somit geht die Suche nach der Lösung weiter. „Fälle wie diese alte Uhr sind eine Seltenheit im Repair Café“, erzählt Ingo Heidelberg indes, „da kann man auch nicht von geplantem Verschleiß und rücksichtsloser Produktion sprechen, wie bei elektronischen oder elektrischen Geräten.“

Eines der Hauptanliegen des Gründers, welches durch den stetig wachsenden Zulauf bestätigt wird: „Unser Angebot kommt freudig an, und diese Anerkennung ist eine ungemeine Motivation für uns alle. Vielleicht ist das der richtige Weg um den Anstoß zu einem generellen Umdenken zu geben.“

Für die Uhr von Wilfried Mörs ist es eine Wasserwage, die Erlösung bringt. Die Uhr und somit auch das Pendel war ein wenig in Schieflage geraten. Ein letztes Kontrollhorchen, dann besteht Gewissheit: Die Uhr tickt wieder richtig.

Seit dem ersten Repair Café-Treffen im Februar weiß Ingo Heidelberg: „Wenn man hier rausgeht, ist man immer gut gelaunt.“ Und auch Wilfried Mörs geht nun, mit einem zufriedenen Lächeln und der wieder funktionierenden Uhr unterm Arm, glücklich in den Tag.

Lesen Sie Morgen: Der Tauschring Amöneburg-Kastel-Kostheim.

 

Junge Frauen treffen sich im Kleiderkreisel

21.05.2013 – WIESBADEN

 

INTERNET-TAUSCHRING Für Tessa ist das Durchstöbern des Angebots zum Hobby geworden / Mit Freundinnen plant sie eine „Swap-Party“

Wenn früher zum Saisonwechsel im Frühjahr oder aber auch aus Platzgründen der Kleiderschrank aussortiert wurde, landeten die ausrangierten Teile meist auf dem Flohmarkt, im Secondhandladen oder schlimmsten Falle im Altkleidercontainer. Heutzutage finden diese alten Schätze neue Besitzer auf „kleiderkreisel.de“, einer Internetplattform, auf der Kleidung getauscht, verkauft und auch verschenkt wird. Kaufrausch war gestern: Das neue Zauberwort heißt Tauschen!

Kleiderkreisel arbeitet nach dem Prinzip „Corporate Consumption“ – des gemeinschaftlichen Verbrauchs. Derzeit stehen rund dreieinhalb Millionen Artikel online zum Tausch oder Verkauf, einige davon gehören Nutzern mit kreativen Namen wie „phoenix1201“, „eli1993“ und „lionheart“. Hinter diesen Pseudonymen verbergen sich meist junge Damen im Alter zwischen 14 und 23, für die Kleiderkreisel regelrecht zum Hobby geworden ist. So auch für Sandra, Verena, Tessa und Laura.

Die 21 Jahre alte Schülerin Laura stieß per Zufall auf das Internetportal. „Eine Klassenkameradin trug eine traumhaft schöne Lederjacke“, berichtet Laura lachend, „die musste ich haben! Auf meine Frage, wo sie das Teil gefunden hatte, antwortete sie grinsend ‚Kleiderkreisel‘.“

Noch am gleichen Abend meldete sich Laura dort an. Selbst hat sie zwar seither nichts gekauft, aber das ein oder andere ausgemusterte Teil aus ihrem Kleiderschrank hat schon einen anderen Besitzer gefunden. Die blonde Schülerin ist begeistert: „Es ist viel zu schade, ausgemistete Teile wegzuwerfen, nur weil sie mir nicht mehr gefallen. Sie sind ja noch total in Ordnung!“ Auch den freundlichen Kontakt der vornehmlich weiblichen „Kreislerinnen“ schätzt Laura sehr.

„Ich bekam mal eine Anfrage von einem Mädchen, das mich bat, einen Artikel für sie ein paar Tage zu reservieren, da sie ihr Taschengeld immer erst am Wochenende bekommt“, erzählt Laura. „Das habe ich natürlich gemacht, schließlich war ich auch mal jünger und in einer ähnlichen Situation!“

Aus Fehlern lernen

Auch Sandra, 26 Jahre alt, ist fasziniert von Kleiderkreisel und dem lockeren Miteinander, das untereinander herrscht: „Ich verkaufe hauptsächlich und habe, da es sich ja ausschließlich um Privatverkäufe handelt, auch schon mal etwas durcheinander gebracht, aber das konnte ich mit der Käuferin zum Glück ganz einfach und problemlos klären.“ Daher gibt die Mitarbeiterin einer Werbeagentur Neueinsteigern vor allem den Tipp, immer offen und ehrlich im Umgang miteinander zu sein, um Missverständnisse und daraus resultierende negative Bewertungen zu vermeiden. Auch Laura rät: „Am Besten erst mal klein anfangen und aus eigenen Fehlern lernen.“

Die Idee der drei Gründer des deutschen Kleiderkreisels scheint offensichtlich genau den Zeitgeist zu treffen. Und nicht nur Kleidung wird online geteilt und getauscht – auch zeigt sich im portaleigenen Forum, dass der Community-Gedanke im Vordergrund steht. Ob Liebeskummer, Sightseeing Empfehlungen oder Stylingtipps – für jedes Thema findet sich ein Thread mit hilfsbereiten „Kreislern“, zu denen sich auch Verena und Tessa zählen.

Die 21-jährige Tessa befindet sich derzeit in einer Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin. Mit Hilfe des Forums konnte sie ihren letzten Urlaub in London planen und dank der zahllosen Geheimtipps wurde die Reise zu einem unvergesslichen Erlebnis. „Seitdem probiere ich auch zu helfen, wo ich nur kann“, will Tessa etwas zurückgeben, „gerade wenn es um Insiderwissen geht!“ Wenn sie nicht gemeinsam mit ihrem Freund verreist oder sich der Ausbildung widmet, verbringt sie jedenfalls gern viel Zeit beim Kleiderkreisel. Lachend gibt sie zu: „Es ist schon ein Hobby von mir geworden.“ Vor allem das Tauschen begeistert die überzeugte Vegetarierin und sieht mit dem Kreiseln von Kleidung ihren Nachhaltigkeitsgedanken bestärkt: „In unserer Gesellschaft wird immer noch zu viel weggeworfen, statt ein Miteinander zu erfahren und Dinge zu teilen.“

Nicht so anonym…
kleiderkreisel
Sie selbst lebt die Idee des Teilens und tauschen nicht nur online, sondern besucht auch sogenannte „Swap-Parties“ in Wiesbaden und Umgebung. Das Prinzip ist ähnlich, wie das des Kreiselns: Jeder Gast bringt Kleidungsstücke, die er selbst nicht mehr trägt und tauscht sie vor Ort gegen die Schrank-Leichen anderer – ganz ohne zu bezahlen. Tessa ist passionierte „swapperin“: „Das schönste daran ist, dass man zu den Kleidungsstücken ein Gesicht und oft auch eine Geschichte erhält, wie man sie zu eigenen Teilen auch hat. So ist es weniger anonym als im Internet.“

Die vier Freundinnen planen in naher Zukunft selbst eine Swap-Party in Wiesbaden zu organisieren und wünschen sich dabei vor allem, dass möglichst viele unerfahrene Tauscher so auf den Geschmack kommen. Denn, so weiß Studentin Verena aus Erfahrung: „Es bringt nichts, sich im Keller eine Art Zweitkleiderschrank einzurichten – davon werden die Sachen ja auch nicht besser!“

Lesen Sie morgen: Das Repair-Café in Klarenthal

Ich bin der Telefonmann

„Einen wunderschönen guten Tag!“ Ich habe meine Telefonstimme aufgelegt – möglichst freundlich säusele ich in die Sprechmuschel des Telefons. Wie es in den Wald schallt, so schallt es auch aus dem Hörer: „Kleinen Moment bitte, ich verbinde Sie!“ Mozarts kleine Nachtmusik, Beethovens für Elise und weitere einschlägige Warteschleifen-Hits dröhnen in mein Ohr. „Sind Sie noch da?“ – „Selbstverständlich“ – „Derzeit sind alle Leitungen belegt, aber ich probiere es noch mal!“ – „Vielen Dank!“. Wieder eine polyphone Symphonie die mich einmal mehr daran denken lässt, wie schön es wäre, in genau diesem Moment wo anders zu sein. Lustlos male ich mit dem Kugelschreiber in meiner rechten Hand großblättrige Blumen auf ein Stück Schmierpapier. Ihnen wachsen Flügel und ich frage mich inständig, ob es solche Pflanzen tatsächlich gibt. Die Damen am anderen Ende der Leitung hebt endlich ab. Problem gelöst. Abgehakt.

Für Liebesprobleme, drücken Sie bitte die „eins“, für Lebensberatung drücken Sie bitte die „zwei“ für alle anderen Angelegenheiten drücken

telefon

Sie die „drei“.

Erneut: „Einen wunderschönen Tag!“ Meine Telefonierstimme wird von Mal zu Mal höher, süßlicher, freundlicher. Ich glaube mir die vorgegaukelte Höflichkeit selbst nicht mehr. Meine Gesprächspartner lassen sich davon allerdings nicht beirren. Ich frage mich wie die Person am anderen Ende wohl aussieht. Sie redet lustig, verhaspelt sich ständig und spricht einen Dialekt den ich vorher noch nie gehört habe. Eine Mischung aus Schwäbisch und Plattdeutsch. Theoretisch ein Ding der Unmöglichkeit. Naja, vielleicht aus dem Ausland. Ist ja schließlich ein international operierendes Unternehmen, mit dem ich soeben telefoniere. „Wir haben kein Interesse…“ – tut tut tut – „aber…“. Aufgelegt. Da hätte ich lieber noch ein wenig den lieblichen Klängen der Warteschleife gelauscht.